Tagebücher auf der Neonatologie-Intensivstation

Studien zum Tagebuch

Fotografien in Tagebüchern von Brandverletzten

Es gibt eine lange Diskussion über die Verwendung von Fotos von Patient:innen in Intensivtagebüchern, aufgrund von rechtlichen Aspekten, Datenschutz, Privatsphäre, Risiko von Flashbacks und anderen Aspekten, aber im Allgemeinen schätzen Patient:innen Fotos! Gilt dies jedoch auch für Brandverletzte? Daltveit et al. (2024) aus Norwegen führten eine qualitative Studie durch, die individuelle Interviews mit sechs ehemaligen Patient:innen (Alter 20-77 Jahre) und zwei Fokusgruppeninterviews mit 11 Pflegefachpersonen von Intensivstationen für Brandverletzte umfasste. Intensivtagebücher werden seit über 20 Jahren verwendet, einschließlich schriftlicher Einträge und Fotos. Die Interviews wurden durch thematische Analyse ausgewertet. In den Ergebnissen traten drei Hauptthemen hervor: Zögern beim Betrachten von Fotos, Visualisierung der Pflege durch andere und Visualisierung des Weges vom Brandtrauma zur Genesung. Trotz anfänglicher Bedenken der Patient:innen gegenüber den Fotos und Ängsten der Pflegefachpersonen, erschreckende Bilder auszuwählen, wurden die Fotos im Allgemeinen gut aufgenommen (Zitat: „Soll ich es wagen, das Buch zu öffnen?"). Die Patient:innen schätzten die Fotos, weil sie Erinnerungslücken füllten, mehr Informationen als Worte lieferten und eine ehrliche Darstellung boten („Es war nicht so schlimm, wie ich dachte."). Fotos von der Familie, Freund:innen oder dem Personal wurden besonders geschätzt, weil sie gemeinsame Erfahrungen illustrierten und die Genesung unterstützten („ ... ich wurde gut versorgt.", „Man kann den Fortschritt sehen“). Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass sowohl Brandverletzte als auch Pflegefachpersonen auf Intensivstationen für Brandverletzte die Fotos als wesentlichen Bestandteil der Tagebücher empfanden, die Kontext und eine sachliche Darstellung des Behandlungs- und Genesungsprozesses boten. Intensivstationen für Brandverletzte sind ein sehr besonderes Umfeld, ebenso wie die Rehabilitation. Diese Erkenntnisse und Schlussfolgerungen könnten auf andere Umgebungen und Populationen extrapoliert werden, aber wir sollten vorsichtig sein, Fotos für alle Intensivpatient:innen zu verallgemeinern. Fotos sind eine Möglichkeit, den Aufenthalt auf der Intensivstation zu reflektieren, die Erfahrungen zu erinnern und mit ihnen umzugehen. Manchmal kann es überwältigend sein, und es ist eine gute Wahl, die Patient:innen vorher um Zustimmung zu bitten und ihre Fähigkeit zur Bewältigung zu berücksichtigen.

Daltveit S, Kleppe L, Petterteig MO, Moi AL. Photographs in burn patient diaries: A qualitative study of patients' and nurses' experiences. Intensive Crit Care Nurs. 2024 Jun; 82:103619.

Tagebücher für Patient:innen an der ECMO

Es ist bekannt, dass Tagebücher auf Intensivstationen das Post Intensive Care-Syndrom bei Überlebenden und ihren Familien reduzieren. Tagebücher auf der Intensivstation können Erinnerungslücken füllen und irrige Erinnerungen auflösen, aber wenig ist über die Erfahrungen von Pflegefachpersonen beim Schreiben in diesen Tagebüchern für Patient:innen an der ECMO bekannt. Norton et al. (2024) aus den USA führten eine phänomenologische qualitative Studie mit 15 ECMO-Pflegefachpersonen durch, um ihre Erfahrungen beim Schreiben von Pflegeeinträgen in Tagebücher während der Aufenthalte der Patient:innen auf der Intensivstation zu untersuchen. Mithilfe von halbstrukturierten, persönlichen Interviews, die aufgezeichnet und transkribiert wurden, analysierten die Autor:innen die Daten nach Themen, Unterkategorien und Indikatoren. In den Ergebnissen traten drei Hauptthemen hervor:

  1. der Fokus auf die Pflegefachperson, die Familie und die Patient:innen („Ich weiß, es könnte viele Gründe geben, nicht ins Tagebuch zu schreiben, aber wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, könnte es viele Gründe geben, ins Tagebuch zu schreiben. Ein paar Minuten, um ein paar Dinge zu notieren, die lebenslange Auswirkungen auf jemanden haben könnten“);

  2. Hervorhebung sowohl positiver als auch negativer Aspekte des Tagebuchschreibens; und

  3. Identifizierung von Barrieren („Die größte Herausforderung, der ich beim Schreiben ins Tagebuch gegenüberstand, war zu wissen, was ich schreiben soll. Was ist richtig zu schreiben und was ist falsch zu schreiben?“, aber auch: „Ich mag meine Schrift nicht; ich hasse meine Handschrift und ich will nicht, dass Leute lesen, was ich schreiben würde.“).

Von den 340 aufgezeichneten Kommentaren waren 88% positiv. Insgesamt fanden die Pflegefachpersonen das Tagebuchschreiben vorteilhaft für sich selbst, die Familien und die Patient:innen. Diese Praxis kann Pflegefachpersonen helfen, sich wieder mit dem Kern ihres Berufes zu verbinden. Die Autor:innen erwähnen: „Das Tagebuchschreiben kann Pflegefachpersonen helfen, zu dem Kern zurückzukehren, warum wir das tun, was wir tun.“. Das Verständnis der Erfahrungen der Pflegefachpersonen kann die Kommunikation, die Zufriedenheit der Familien und die Effektivität der Tagebuchprojekte verbessern.

Norton T, Chechel L, Sanchez C, Terterian G. A Qualitative Study to Explore the Nurses' Experience of Writing Caring Notes in Diaries for Extracorporeal Oxygenation Membrane (ECMO) Patients: Explore the nurse's experience. Crit Care Nurs Q. 2024 Jul-Sep 01; 47(3):184-192.

Initiierung und Schreiben von Tagebüchern

Intensivtagebücher können Patient:innen helfen, Erinnerungslücken zu füllen, ihre Krankheit nach der Entlassung zu verstehen und die Genesung zu unterstützen. Pflegefachpersonen stehen jedoch vor Herausforderungen bei der Entscheidung, welche Patient:innen Tagebücher erhalten sollten und wie diese Intervention priorisiert werden soll. Diese Studie zielte darauf ab, die Perspektiven von Intensivpflegefachpersonen zur Initiierung und zum Schreiben von Tagebüchern für erwachsene Intensivpatient:innen zu untersuchen. Gundersen et al. (2024) aus Norwegen führten eine qualitative, explorative deskriptive Studie durch, die Interviews mit 14 Intensivpflegefachpersonen aus vier Krankenhäusern umfasste. Die Daten wurden mittels systematischer Textkondensation analysiert. In den Ergebnissen wurden drei Kernkategorien identifiziert:

  1. Krankheitsverläufe und Prognosen der Patient:innen, einschließlich Untergruppen von erwarteten langen und komplizierten Verläufen, Hoffnung auf Überleben und wachen Intensivpatient:innen („Zuerst dachte ich, sie seien wach, was bringt es dann, ein Tagebuch zu schreiben? Im Nachhinein, nach unseren Nachbesprechungen mit Patientient:innen, kann ich sehen, dass sie [die Patient:innen] davon [dem Tagebuch] profitierten. Weil sie sich an nichts erinnern.“);

  2. Anpassung von Inhalt und Sprache an die einzelnen Patient:innen, einschließlich Schreiben für nicht-muttersprachliche Patient:innen und individueller Anpassung der Inhalte („Ich denke, ich wähle eine ‚sichere Zone‘. Ich schreibe nur eine allgemeine Beschreibung. Nehmen wir an, ... der Patient war in einem Autounfall. Ich gehe nicht auf die Gründe ein, warum der Patient einen Suizidversuch unternommen hat.“);

  3. Ausbalancieren von Zeit und Ressourcen zur Erstellung von Tagebüchern, die den Patient:innen zugutekommen, einschließlich Untergruppen von spätem Beginn des Tagebuchschreibens als Barriere und Tagebuchschreiben wird nicht priorisiert, wenn es wichtigere Aufgaben gibt („Wenn die Schicht fast vorbei ist, ist es nicht sicher, dass man alle Aufgaben erledigt hat, und dann muss man entscheiden, was priorisiert wird, und (so) kommt das Tagebuch zuletzt.“).

Die Autor:innen schließen daraus, dass die Entscheidungen der Pflegefachpersonen über Tagebücher von den Krankheitsverläufen und Prognosen der Patient:innen beeinflusst werden, die sich schnell ändern können und die Beurteilungen erschweren. Um qualitativ hochwertige Tagebücher zu gewährleisten, müssen Sprache und Inhalt personalisiert werden. Die Zeit und Ressourcen, die für Tagebücher aufgewendet werden, werden gegen den Nutzen für die Patient:innen abgewogen, wobei Beiträge von Kolleg:innen und die Anerkennung des Wertes von Tagebüchern entscheidend für den Erfolg sind.

Gundersen S, Blikstad-Løkkevik S, Brenna G, Steindal SA, Kvande ME. Critical care nurses' assessment of writing diaries for adult patients in the intensive care unit - A qualitative study. Aust Crit Care. 2024 Apr 15: S1036-7314(24)00052-3.

Verwendung und Anwendung von Intensivtagebüchern

Intensivtagebücher helfen bei der psychischen Genesung von Intensivpatient:innen, aber die Praxis der Tagebuchführung variiert stark. Wenige Studien haben die kombinierten Ansichten von Intensivpatient:innen, Familienmitgliedern und Pflegefachpersonal zur Tagebuchnutzung untersucht. Johansson et al. (2024) aus Schweden untersuchten die Nutzung von Intensivtagebüchern in vier schwedischen Intensivstationen bzgl. praktischen Richtlinien für deren Struktur, Inhalt und Verwendung. Drei Fokusgruppeninterviews wurden mit 8 ehemaligen Patient:innen und 5 Familienmitgliedern durchgeführt. Zusätzlich wurden Einzelinterviews mit 2 Patient:innen, einem Familienmitglied und einer Pflegekraft durchgeführt. Beobachtungen, Feldnotizen, Dokumentenanalysen und Gespräche mit dem Pflegepersonal wurden ebenfalls einbezogen. Der Vergleich der vier Intensivstationen war interessant: Alle Intensivstationen hatten freiwilliges Tagebuchschreiben, ein physisches Din A5-Format, eine Seite über die Gewohnheiten des Patient:innen, einen Glossar, generische Fotos von dem Equipment der Intensivstation (außer eine Intensivstation), alle beinhalteten Fotos von Patient:innen (zwei Intensivstationen fügten sie sofort ins Tagebuch ein, zwei bei Nachbesprechungen), und ja, alle Intensivstationen hatten ein Nachbesprechungstreffen mit Patient:innen/Familien und gaben Feedback an das Intensivpersonal. Die thematische Analyse identifizierte vier Themen in der Nutzung der Tagebücher durch Patient:innen und Familienmitglieder:

  1. Verständnis der Situation;

  2. Erhalten von warmherziger, personalisierter Pflege;

  3. Umgang mit existenziellen Fragen; und

  4. Nutzung des Tagebuchs im Alltag.

Die Autor:innen empfehlen die Einbeziehung von Richtlinien zur Praxis der Intensivtagebücher.

Johansson M, Wåhlin I, Magnusson L, Hanson E (2024) The use and application of intensive care unit diaries: An instrumental multiple case study. PLoS ONE 19(2): e0298538.

Digitale Tagebücher: Fördernde und hemmende Aspekte

Die Implementierung digitaler Intensivtagebücher scheint vielversprechend, bringt jedoch zahlreiche Herausforderungen mit sich. Das Verständnis von fördernden und hemmenden Aspekten unter den Beteiligten ist entscheidend für die effektive Integration digitaler Tagebücher in Intensivstationen. Schol et al. (2024) aus den Niederlanden führten eine qualitative Studie durch, bei der Fokusgruppeninterviews mit 32 Fachkräften aus vier niederländischen Intensivstationen sowie Einzelinterviews mit 10 Überlebenden der Intensivstation und deren Angehörigen durchgeführt wurden. Die Daten wurden mit einem gemischten induktiven-deduktiven Ansatz analysiert. Wichtige fördernde Aspekte für Fachkräfte waren eine benutzerfreundliche Oberfläche, die jederzeit zugänglich ist, ein einfacher Anmeldeprozess, umfassende Schulungen und Feedback von Patient:innen und Angehörigen. Hindernisse für Fachkräfte umfassten einen komplexen Zugangsprozess und Widerstand gegen das Schreiben von Tagebucheinträgen. Im Gegensatz dazu schätzten Überlebende der Intensivstation und deren Angehörige das Engagement der Fachkräfte beim Schreiben von Tagebucheinträgen. Das Teilen des Tagebuchs war mit Datenschutzbedenken verbunden, obwohl es als wertvoll wahrgenommen wurde. Diese Studie identifiziert Schlüsselfaktoren, die die Implementierung digitaler Intensivtagebücher beeinflussen. Bemerkenswerterweise wirken einige Faktoren sowohl als Hindernisse als auch als Förderer. Die identifizierten fördernden und hemmenden Aspekte können helfen, die Hindernisse zu überwinden, mit denen Intensivpflegefachpersonen, Überlebende und deren Angehörige bei der Einführung digitaler Tagebücher konfrontiert sind.

Schol CMA, van Mol MMC, Berger E, Leerentveld C, Gommers DAMPJ, Ista E. Implementation of a digital diary in the intensive care unit; understanding the facilitators and barriers: A qualitative exploration. Aust Crit Care. 2024 May 7: S1036-7314(24)00075-4.

Tagebücher auf der Neonatologie-Intensivstation (NICU)

Eltern von Frühgeborenen leiden oft unter Stress, Angst, Schlafstörungen und anderen intensiven Gefühlen. Li et al. (2024) aus China untersuchten die Auswirkungen von webbasierten NICU-Tagebüchern auf die psychische Gesundheit, Lebensqualität, Schlafqualität, Pflegefähigkeit und Hormonspiegel von 70 Eltern von Frühgeborenen in einer randomisierten, kontrollierten Studie (Interventionsgruppe: 35, Kontrollgruppe: 35). Die Kontrollgruppe erhielt die routinemäßige NICU-Versorgung, während die Interventionsgruppe zusätzlich zur routinemäßigen Versorgung ein webbasiertes NICU-Tagebuch erhielt. Ergebnisse, einschließlich Angst, Depression, PTSD-Symptome, Lebensqualität, Schlafqualität, Fähigkeit zur Versorgung des Kindes sowie Cortisol- und Melatoninspiegel, wurden zu drei Zeitpunkten bewertet: T1 (vor der Intervention), T2 (sofort danach) und T3 (1 Monat danach). Die Ergebnisse zeigten, dass die Angstwerte in der Interventionsgruppe bei T2 und T3 signifikant niedriger waren (p < 0.001). Die Versorgungsfähigkeit waren in der Interventionsgruppe bei T2 und T3 signifikant höher (p < 0.001). Einige Effekte könnten überschätzt sein. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Lebensqualität, Schlafqualität, den Cortisol- oder Melatoninspiegeln beobachtet. Das Schreiben von webbasierten NICU-Tagebüchern kann die Angst reduzieren und die Pflegefähigkeit der Eltern von Frühgeborenen verbessern.

Li X, Lin Y, Huang L, Lin H, Cheng X, Li S, Hu R, Liao J. Effects of web neonatal intensive care unit diaries on the mental health, quality of life, sleep quality, care ability, and hormone levels of parents of preterm infants in the neonatal intensive care unit: A randomized controlled trial. Intensive Crit Care Nurs. 2024 Aug; 83:103697.

Ansichten von Pflegefachpersonen und Eltern zu Tagebüchern auf der Neonatologie-Intensivstation (NICU)

NICU-Tagebücher können Familienmitgliedern helfen, besser mit der Situation umzugehen, aber es fehlt an einem klaren theoretischen Rahmen und Evidenz zur Anwendung durch Pflegefachpersonen. Willmeroth (2024) aus Deutschland untersuchte, wie Pflegefachpersonen NICU-Tagebücher verwenden, um Familienmitglieder zu unterstützen, und entwickelte einen evidenzbasierten Rahmen für die Tagebuchnutzung. Diese qualitative Studie umfasste 12 narrative Interviews mit Pflegefachpersonen aus sechs Krankenhäusern und zwei Fokusgruppeninterviews mit neun Eltern aus zwei Krankenhäusern. Die Daten wurden induktiv mittels Inhaltsanalyse analysiert und grafisch kodiert. In den Ergebnissen traten vier Hauptkategorien hervor:

  1. Nutzung: Es wurden drei Arten des Schreibens von NICU-Tagebüchern identifiziert: durch Pflegefachpersonen, Eltern oder beide;

  2. Inhalt: Besteht aus dem Titel des Tagebuchs, der Einführung, textuellen und nicht-textuellen Komponenten;

  3. Funktion: Drei Unterkategorien unterstützen das Bewältigen der Eltern: Stärkung der Elternrolle, Unterstützung beim Verständnis von Ereignissen und Freude und Normalität bringen;

  4. Herausforderungen: einen angemessenen Schreibstil finden, das Lesen der elterlichen Einträge durch Pflegefachpersonen und begrenzte Ressourcen.

Basierend auf diesen Ergebnissen und relevanter Literatur wurde ein Rahmen für die Konzeption von NICU-Tagebüchern entwickelt. Interessanterweise sind auch erwachsene Kinder an den Tagebüchern interessiert. Ein Elternteil erwähnte: „Unsere Tochter, die jetzt drei Jahre alt ist, ist sehr an den Fotos interessiert und möchte hören […], warum sah sie so aus?“ NICU-Tagebücher haben ein erhebliches Potenzial, die Bewältigung der Eltern zu unterstützen. Ein theoretischer Rahmen ist jedoch notwendig, um die Nutzung für Pflegefachpersonen und Eltern zu klären.

Willmeroth T. Nurses' and Parents' View on Neonatal Intensive Care Unit Diaries: A Qualitative Study and Framework Conceptualization. Am J Perinatol. 2024 May;41(S 01): e1800-e1812

Angrenzende Studien

Einige Titel wurden den Newslettern von @ICURehab Newsletter von Dale M. Needham und Critical Care Reviews von Rob Mac Sweeney entnommen und editiert, und natürlich unseren eigenen Suchen.

Psychologische Interventionen

Die DIVI Sektion Psychologische Versorgungsstrukturen hat eine Empfehlung zu psychologischen Interventionen für Intensivpatient:innen und ihren Angehörigen herausgegeben. Tolles Paper!

Schreiben als Bewältigungsstrategie

Während und nach dem Versterben von Patient:innen nutzen viele Familien das Schreiben in Tagebüchern, Sozialen Medien und anderswo, um die Erfahrungen zu verarbeiten. Hierbei scheint das Schreiben wichtiger als das Lesen zu sein, aber nicht alle wollen weder das Eine noch das Andere. Riegel et al (2024) aus Australien

Let's Talk!

Für Familienkonferenzen auf Intensivstationen wurde ein neues Tool mit Text und Cartoons/Grafiken entwickelt, das von 26 Angehörigen als sinnvoll und akzeptabel beurteilt worden ist. Von Scoy et al (2024) aus den USA

Zugehörige

Die Anforderungen, Aufgaben und Rollen für Zugehörige sind komplex, sie bedürfen der Unterstützung durch das Team. Seidlein et al (2024)

Traumhafte Erfahrungen

In der Meta-Synthese von 33 qualitativen Studien über deren als real erinnerte, aber traumhafte Erfahrungen (delusional memories) von Intensivpatient:innen konnten drei zentrale Themen identifiziert werden: ein Sinn für Gefahr und Tod, die Gegenwart von anderen, und die Realität hinter der eigenen Welt. Harter Tobak. Danielis et al (2024)

Empathie

Um Empathie auszudrücken, gaben 94 Familienangehörige und 72 Mitarbeitende 4 verschiedene Strategien an:

  1. versichern, dass das Team weder Familien noch Patient:innen im Stich lässt;

  2. Emotionen wertschätzen und Hilfen anbieten;

  3. Familien willkommen heißen;

  4. Informationen verständlich mitteilen. Eigentlich ganz einfach.

Mixed-Method Studie von Reifarth et al (2024) aus Köln

Psychotherapie

Die Evaluation der Psychotherapie bei 20 Intensivpatient:innen ergab 5 zentrale Themen:

  1. Auswirkungen der Krankheit,

  2. Wert der Therapie,

  3. Zugang zur Therapie,

  4. Prozess während der Therapie und

  5. Rolle der Therapeut:innen.

Zitat: „Es rettet mich!“. Clarke et al (2024) aus dem Vereinigten Königreich

Leitfaden

Die britische Patientenorganisation ICUsteps hat einen neuen Leitfaden Road to Recovery für Intensivpatient:innen herausgegeben. Die Broschüre beinhaltet verschiedene Laienverständliche Informationen und Abbildungen zum Intensivbereich und die Zeit danach und geht dabei auf verschiedene typische Probleme ein. Gut gemacht! ICUsteps (2024)

Angehörige

Gespräche, in denen die Weiterführung oder Beendigung der Therapie diskutiert werden, können für Angehörige sehr belastend sein. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit den Angehörigen von 385 Intensivpatient:innen mit chronischen lebenslimitierenden Krankheiten oder einem hohen Sterberisiko führte die Kommunikationsmoderation vor, während und nach solcher Gespräche durch geschulte Pflegende im Vergleich zu der üblichen Versorgung zu keinen Unterschieden nach 6 Monaten in Angst, Depression oder posttraumatischen Stress. Kentish-Barnes et al (2024) aus Frankreich

Nachsorge

Die Nachsorge von Intensivpatient:innen kann helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen und Komplikationen zu vermeiden. In einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 540 entlassenen Intensivpatient:innen zeigte eine 3-malige krankenhausbasierte, persönliche multidisziplinäre Post-Intensivstation-Konsultation durch ein Team aus Medizin, Psychologie und Sozialarbeit im Vergleich zur üblichen Versorgung unerwarteterweise einen nachteiligen Effekt auf die Lebensqualität und Überleben nach einem Jahr. Diskutiert werden Einflüsse wie überhöhte Erwartungen, methodische Grenzen, fehlende Adhärenz u.a. Sharshar et al (2024) aus Frankreich

Was denken Patient:innen?

11, bzw. 10 befragte ehemalige Intensivpatient:innen gaben in Interviews nach 6, bzw. 12 Monaten an, dass ihnen in ihrer Genesung vor allem physische Aktivität und Funktion, kognitive und emotionale Funktion, Hilfen in der Genesung (Familie, Therapien, Ernährung usw.) und Lücken in der Versorgung (fehlende Informationen, Ansprechpartner oder finanzielle Unterstützung) wichtig waren. Evaluation von O’Neill et al (2024) aus dem Vereinigten Königreich

PICS-F

Ein Bundle zur Prävention des Post-Intensive-Care-Syndroms Family beinhaltet: Flyer, Intensivtagebücher, Kommunikationshilfen, Unterstützung in Trauer, Nachsorge. Gute Übersichtsarbeit, auch mit Daten zu Angst, Depression, PTBS, Fatigue, Arbeitsleben und anderem. Shirasaki et al 2024

Statement I

Die DIVI Sektion therapeutische Gesundheitsberufe hat ein Statement zum Personalschlüssel herausgegeben: „Pro 10 Betten sollten in der höchsten Versorgungsstufe („level of care“ [LoC] 3) 1,28 Vollzeitkräfte (VK) aus der Physiotherapie, je 0,91 VK aus der Ergotherapie und Logopädie sowie 0,80 VK aus der Psychologie beschäftigt werden.“. Klarmann et al (2024)

Kinderbesuche

Eltern, die mit ihren minderjährigen Kindern einen Angehörigen auf der Intensivstation besuchen, erleben die Besuche als herausfordernd (auch wegen der Teams), aber Eltern versuchen alles, um die Familie zusammenzuhalten. Interviewstudie von Belser et al (2024) aus der Schweiz

Familien

Die Analyse von 28 RCT und 12.174 Teilnehmenden zu familienzentrierten Interventionen bei Intensivpatient:innen ergab in 57% der RCT positive Effekte auf psychische Parameter, Lebensqualität, Delir, Dauer der Beatmung, Intensivtage und andere. Duong et al (2024)

Ansichtssache

Wohlbefinden und Stress kann mit verschiedenen Skalen gemessen werden, z.B. IES-r und HADS. Aus Sicht von Angehörigen sind aber beide Zustände multidimensional und beinhalten deutlich mehr Aspekte als die, die in solchen Skalen abgefragt werden. Interviewstudie mit 21 Angehörigen von Wendlandt et al (2024) aus den USA

Biomarker & PICS

Viele überlebende Intensivpatient:innen haben auch nach der Verlegung von der Intensivstation systemische Entzündungen. In einer systematischen Literaturrecherche mit 32 Studien und Patient:innen waren erhöhte Werten für Interleukin-8 (71%), CRP (62%) und Interleukin-10 (60%) mit dem Auftreten eines PICS assoziiert, die Evidenz ist aber nur bedingt überzeugend, mehr Forschung ist nötig. Docherty et al (2024)

Nocebo

Unsere Kommunikation („Das piekst gleich mal.“) kann Effekte auf die Patient:innen haben, die wir vielleicht nicht gleich bemerken, aber dennoch nachweisbar sind: Nocebo Kommunikation. Schönes Review mit Beispielen von Huynh et al (2024)

Lärmbelästigung

Eine Umfrage unter 147 Intensivpflegenden, die 16 verschiedene Lärmquellen auf der Intensivstation als mehr oder weniger störend einstufen sollten, ergab eine Diskrepanz zwischen dem empfundenem und dem tatsächlich gemessenen Lärmpegel. Es wäre interessant, dazu auch Patient:innen zu befragen. Dwairi et al (2024) aus Ägypten

Humanisierung der pädiatrischen Intensivversorgung

In einer Übersichtsarbeiten konnten 100 Studien zur Humanisierung der pädiatrischen Intensivversorgung zu den Aspekten Kommunikation, Wohlbefinden der Patient:innen und Familien, Fürsorge für das Team, Post-Intensive-Care-Syndrom, Versorgung am Lebensende und humanisierte Infrastruktur in unterschiedlicher Gewichtung identifiziert werden. Mehr Forschung ist vom allem zur Implementierung nötig. Garcia-Fernandez et al (2024)

Sterblichkeit

Bei 195.702 Überlebenden von Intensivstationen waren die Sterblichkeit, die Wiedereinweisungsraten und die finanziellen Ausgaben innerhalb der ersten sechs Monate nach der Entlassung am höchsten. Kang et al. (2024) aus Südkorea

Neuro

Eine Überprüfung identifizierte 74 Studien, die als Outcome nach Intensivstation die kognitive, psychische Gesundheit, gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) und berufliche Ergebnisse bei neurokritischen Patient:innen berichteten. Labuzetta et al. (2024)

ARDS & ECMO

In einer Meta-Analyse von 32 Studien an Patient:innen mit ARDS zeigte sich, dass die Lebensqualität der Überlebenden bei Verwendung von ECMO im Vergleich zur konventionellen mechanischen Beatmung ähnlich war. Turgeon et al. (2024)

Schlaf

Bei 260 Intensivpatient:innen nach ARDS aufgrund von Covid-19 war die Schlafqualität nach 12 Monaten bei 40% der Überlebenden schlecht, bewertet mit dem Pittsburgh Sleep Quality Index, und es wurde eine gestörte Fragmentierung des zirkadianen Ruhe-Aktivitäts-Rhythmus festgestellt. Henríquez-Beltrán et al. (2024) aus Spanien

Lebensqualität

Bei 590 Personen (395 Überlebende von Intensivstationen und 195 alters- und geschlechtsangepasste Kontrollen) könnten die Folgen von postintensivmedizinischen Problemen eine bedeutendere Rolle bei der Beeinflussung der Lebensqualität spielen als die Probleme selbst. Es liegt also nicht immer an den Erfahrungen auf der Intensivstation. Malmgren et al. (2024) aus Schweden

Peer Support

In einer Machbarkeitsstudie mit 80 überlebenden Intensivpatient:innen war eine Peer-Support-Gruppe mit persönlicher Teilnahme machbar, insbesondere 4-6 Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus im Vergleich zu 2-3 Wochen. Haines et al. (2024) aus Australien

Gebrechlichkeit

In einer Gruppe von 531 Intensivpatient:innen mit einem Aufenthalt von ≥7 Tagen waren 33,6 % gebrechlich (CFS ≥5), 37,6 % vorgebrechlich (CFS 3-4) und 28,8 % nicht gebrechlich (CFS 1-2). Gebrechliche Patient:innen hatten eine höhere 6-Monats-Sterblichkeit und eine reduzierte körperliche Funktion, jedoch keine reduzierte psychische Funktion. Wozniak et al. (2024) aus der Schweiz

PICS

From bedside to recovery: Bewegungstherapie zur Prävention des Post-Intensiv-Care-Syndroms. Ausgezeichnete Übersicht von Liu et al. (2024)

PICS-F

Post-Intensiv-Care-Syndrom Family: Eine umfassende Übersicht von Shirasaki et al. (2024)


Verfasst von:

Dr. Peter Nydahl, RN BScN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

Kristin Gabriel, Dipl. Medienwirtin, BA Kunsthistorikerin, Yogalehrerin, Berlin

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