Studien zu Tagebüchern

Studien zum Intensivtagebuch

Wahrnehmung der Tagebücher durch Angehörige und MitarbeiterInnen

Brandao Barreto et al (2021) führten eine systematische Literaturrecherche in vier verschiedenen Datenbanken durch, um die Belege für die Wahrnehmung von Familienmitgliedern und MitarbeiterInnen beim Lesen und Schreiben von Intensivtagebüchern zusammenzufassen. Im Ergebnis wurden 28 Studien analysiert (15 zu Familien, 13 zu MitarbeiterInnen). Für Familienmitglieder ist das Tagebuch eine Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken, über ihre Anwesenheit am Krankenbett zu berichten und hilft, die Intensivversorgung zu humanisieren. Für das Personal sind Tagebücher für sich selbst von Vorteil, aber es gibt Bedenken, dass Tagebücher die Arbeitsbelastung erhöhen und zu gerichtlichen Herausforderungen führen könnten. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass sowohl Familien als auch MitarbeiterInnen das Tagebuch schätzen, aber die genannten Herausforderungen sollten berücksichtigt werden, wenn Tagebücher in die Praxis umgesetzt werden.

Brandao Barreto B, Luz M, do Amaral Lopes SAV, Rosa RG, Gusmao-Flores D. Exploring family members' and health care professionals' perceptions on ICU diaries: a systematic review and qualitative data synthesis. Intensive Care Med. 2021 Jun 12. doi: 10.1007/ s00134-021-06443-w.

Neue Meta-Analyse von PTBS, Angst und Depression bei Intensivpatienten

Sun et al. (2021) führten eine neue systematische Literaturrecherche und Metaanalyse für die Auswirkungen von Intensivtagebüchern auf psychologische Risiken durch. Nach einer Suche in sechs Datenbanken konnten zehn Studien von mittlerer Qualität analysiert werden (8 RCT, 2 kontrollierte Studien). Das Chancenverhältnis nach drei Monaten betrug

  1. PTBS (9 Studien, 1174 PatientInnen): Odds Ratio = 0,69, 95%CI (0,51, 0,93), p=0,01

  2. Angst (6 Studien, 622 PatientInnen): OR = 0,45, 95%CI (0,19, 1,06), p=0,07

  3. Depression (6 Studien, 622 PatientInnen): OR = 0,56, 95% CI (0,37, 0,85), p=0,006

Die Studien zur Angst hatten eine erhebliche Heterogenität, die anderen Studien nicht. Eine Verzerrung durch einen Publikationsbias (= Nicht-Veröffentlichung von Studien) kann nicht ausgeschlossen werden. Daher sollte das Ergebnis mit Vorsicht behandelt werden. Die AutorInnen diskutieren die möglichen Auswirkungen von Tagebüchern auf die PTBS-Prävention und -Behandlung angesichts einer komplexen PatientInnensituation mit, bzw. ohne wahnhaften, erschreckenden Erinnerungen, wach auf der Intensivstation oder nicht, Lesen vs. Vermeiden eines Tagebuchs, Zeitpunkt des Lesens, Familienunterstützung und Kultur (und wir möchten hinzufügen: Dosierung von Tagebüchern mit a) Beschreibung spezifischer PatientInnenerfahrungen mit b) der richtigen Menge an Wörtern und Einträgen). Die AutorInnen schlussfolgern, dass Tagebücher eine praktikable und effiziente psychologische Behandlungsoption für IntensivpatientInnen sind, aber mehr Forschung ist notwendig, um die am besten geeigneten PatientInnen zu identifizieren.

Sun X, Huang D, Zeng F, Ye Q, Xiao H, Lv D, Zhao P, Cui X. Effect of intensive care unit diary on incidence of posttraumatic stress disorder, anxiety, and depression of adult intensive care unit survivors: A systematic review and meta-analysis. J Adv Nurs. 2021 Jul; 77(7): 2929-2941.

Wohlbefinden oder Kampf beim Lesen von Tagebüchern

Alexandersen et al. (2021) aus Norwegen führten eine qualitative Forschung durch, um die Entwicklung innerer Stärken und Willenskraft bei Überlebenden einer kritischen Krankheit zu erforschen. Siebzehn ehemalige LangzeitpatientInnen wurden 6-20 Monate nach der Entlassung interviewt. Interessanterweise kamen einige ehemalige PatientInnen gut mit der Situation zurecht, andere hatten ernste Probleme mit ihrem geistigen, physischen oder wirtschaftlichen Status. Und ebenso verhielten sie sich mit der Lektüre ihres Intensivtagebuchs: einige fühlten sich wohl und sammelten erfahrungserklärende Einsichten, andere erlebten ein „einsames stilles Leiden" und brauchten einen Follow-up-Service. Da innere Stärke und Willenskraft für Rehabilitation, Bewältigung und Kohärenz von entscheidender Bedeutung sind, empfehlen die AutorInnen, diese beiden zu üblichen Outcomeparametern hinzuzufügen, um das Potenzial der Rehabilitation zu bewerten. Auch hier gibt es keine gesonderten Reha-Intervention und PatientInnen benötigen möglicherweise eine spezifische Evaluation, um die Reha an ihre Bedürfnisse anzupassen. Apps könnten auch eine praktikable Reha-Option sein.

Alexandersen I, Haugdahl HS, Stjern B, Paulsby TE, Lund SB, Haugan G. 'I want to get back!' A qualitative study of long-term critically ill patients' inner strength and willpower: Back home after long-term intensive care. J Clin Nurs. 2021 May 20. doi: 10.1111/ jocn.15812.

Bittersüße Darstellung

Im Jahr 2019 veröffentlichten Garrouste-Orgeas et al. eine große RCT inkl. 709 erwachsenen IntensivpatientInnen mit, bzw. ohne einem Intensivtagebuch und ohne signifikante Unterschiede bei den PTBS-Symptomen nach 3 Monaten in beiden Gruppen. Nun führten Flahault et al. (2021) aus dieser französischen Gruppe eine qualitative Analyse von 101 TagebuchpatientInnen durch, wobei sie Telefoninterviews mit Überlebenden nach 6 Monaten durchführten. Nach der Analyse der Interviews identifizierten die ForscherInnen drei Hauptergebnisse:

  1. Das Tagebuch lesen ist zwischen Emotion und Schmerz; Zitat: „Es war ungeheuer berührt zu sehen, wie sie gekämpft haben, um mich am Leben zu erhalten."

  2. Wie das Tagebuch half: „Ich habe jetzt eine Ahnung davon, wie sie mich gerettet haben."

  3. Die bittersüße Darstellung des Tagebuchs: „Solange ich es nicht öffne, passiert nichts. Aber wenn ich es öffne, öffnet sich alles wieder."

Antworten und Wahrnehmungen schienen heterogen zu sein, und die Hälfte der PatientInnen schätzte das Tagebuch als eine gute Hilfe, einige hatten gemischte Gefühle und ein Drittel empfand das Tagebuch als schmerzhafte Darstellung und wollte es vergessen. Vor allem die Menschen, die das Tagebuch vernachlässigen, brauchen Hilfe und Nachsorge, aber wie können wir Menschen helfen, denen nicht geholfen werden will? Die AutorInnen schlussfolgern: „Während die Tagebücher vorteilhaft in den Genesungsprozess des PatientInnen einbezogen werden könnten, muss ihr Platz noch definiert werden."

Flahault C, Trosdorf M, Sonrier M, Vioulac C, Fasse L, Timsit JF, Bailly S, Garrouste-Orgeas M. ICU Survivors Experience of ICU Diaries: An Ancillary Qualitative Analysis of the ICU Diary Study. Crit Care Explor. 2021 May 14; 3(5): e0384

Tagebücher in Italien I

Iannuzzi et al. (2021) implementierten Intensivtagebücher auf einer allgemeinen 8-Betten-Intensivstation in Italien. Die Umsetzung der Tagebücher auf der Intensivstation in Italien war bei der Hälfte der PatientInnen möglich, wobei MitarbeiterInnen und Familien ähnlich viel in das Tagebuch schrieben. Tagebücher beinhalteten einen Median von 25 Einträgen, mit einem Eintrag pro Tag durch Pflegende und wurden eine Woche nach der Entlassung von der Intensivstation an PatientInnen übergeben. In der Pilotstudie wurden 31 PatientInnen evaluiert und nach 6 Monaten bewertet. Die AutorInnen kamen zu dem Schluss, dass Tagebücher die Belastung durch kritische Krankheit verringern können.

Iannuzzi L, Villa S, Vimercati S, Villa M, Pisetti CF, Viganò G, Fumagalli R, Rona R, Lucchini A. Use of Intensive Care Unit Diary as an Integrated Tool in an Italian General Intensive Care Unit: A Mixed-Methods Pilot Study. Dimens Crit Care Nurs. 2021 Jul-Aug 01; 40(4): 248-256.

Tagebücher in Italien II

Negro et al (2021) aus Italien analysierten 32 von Familien geschriebene Tagebücher, welche Erfahrung und Bedeutung diese Intensivtagebücher beinhalten. Im Ergebnis identifizierten die Autoren sieben Themen: Zukunftspläne und Erinnerungen, fürsorgliche Menschen, Liebe rund um den PatientInnen, Fortschritte, Ereignisse außerhalb der Intensivstation, Nützlichkeit des Tagebuchs und Kommunikation über den wahrscheinlichen Tod von PatientInnen. Einige Aspekte sind neu, wie fürsorgliche Verwandte, Spiritualität, Zeitablauf, zukünftige Projekte und Erinnerungen. Die AutorInnen fragen sich, ob diese Themen auf einer spezifischen italienischen Kultur basieren. Sie kommen zu dem Schluss, dass Tagebücher in Italien zur gängigen Praxis werden könnten!

Negro A, Villa G, Zangrillo A, Rosa D, Manara DF. Diaries in intensive care units: An Italian qualitative study. Nurs Crit Care. 2021 May 30. doi: 10.1111/ nicc.12668.

Tagebücher für Eltern von Frühgeborenen

Hofbauer et al (2021) aus Österreich haben eine qualitative Studie durchgeführt, um die Erfahrungen von Eltern von Frühgeborenen zu erforschen, die auf einer Neugeborenen-Intensivstation Tagebücher schrieben. Die AutorInnen befragten drei Väter und fünf Mütter, die Kinder waren zwischen 24 und 36 Wochen jung. Die Interviews wurden mit Hilfe der Reflexiven Grounded Theory analysiert. Durch das Schreiben eines Tagebuchs entwickeln Eltern Vertrauen, dass alles in Ordnung sein wird. Es ermöglicht ihnen, mit dem Kind zu kommunizieren, die Atmosphäre des Krankenhauses zu auszublenden, die Beziehung zum Personal zu stärken und die Lücken zu schließen, wenn sie nicht anwesend sein konnten. Die Verwendung eines Tagebuchs regte die Eltern an, besser mit der Situation fertig zu werden. Interessanterweise gab es geschlechtsspezifische Unterschiede mit einer unterschiedlichen Verwendung von Tagebüchern zwischen Vätern und Müttern.

Hofbauer JM, Dieplinger AM, Nydahl P. The meaning of NICU-Diaries to parents of premature children in the neonatal intensive care unit: Trust that everything will be fine. Journal of Neonatal Nursing, 2021.

Bildgebung in der Intensivmedizin

Publikationen mit der Überschrift „Bildgebung in Der Intensivmedizin" enthalten in der Regel Bilder von CT, MRT etc. Brandao Barreto et al (2021) aus Brasilien fügten der Bildgebung einen neuen Aspekt hinzu: Fotos eines Covid-Patienten in Bauchlage und später als Überlebender, aufgenommen in einem Tagebuch auf der Intensivstation. Der Patient „empfahl das Tagebuch der Intensivstation als Nachweis der (guten) Pflege".

Brandao Barreto B, Brandao Barreto T, Luz M, Gusmao-Flores D. Caring for COVID-19 patients and their relatives with the ICU diary. Intensive Care Med. 2021 May 27: 1-2.

Relevante Berichte und Studien

Erfahrungsbericht zur Implementierung eines Intensivtagebuches im rehabilitativen Kontext

Die Effekte eines Intensivtagebuches für PatientInnen und ihre Familien sind mittlerweile unbestritten. Dies war für uns Anlass, auch für unseren Intensivbereich ein Tagebuch zu konzipieren und zu implementieren. Wir sind eine neurologische Intensivstation mit 12+1 Beatmungsplätzen der Rehabilitationsphase B. Unsere PatientInnen sind charakterisiert mit schweren Bewusstseinseinschränkungen und teils langen Weaning- und Aufwachphasen. Bereits in der Konzeption konnten wir feststellen, dass einige Empfehlungen zum Führen eines Tagebuches für uns abweichen, da unsere PatientInnen andere Dynamiken in den Krankheitsverläufen und längere Verweildauern von durchschnittlich 30-40 Tagen und mehr haben. Seit Februar 2021 führen wir mittlerweile 22 Tagebücher. Unsere Eintragungen erfolgen ca. alle 2-3 Tage und umfassen bislang 228 Einträge. Diese schließen auch Beiträge der logopädischen und ergo-/physiotherapeutischen KollegInnen sowie die der Angehörigen mit ein. Meist sind unsere PatientInnen noch nicht wach genug, wenn sie klinikintern weiterverlegt werden. Daher schreiben KollegInnen der Frührehabilitation unsere Tagebücher weiter. Die Rückmeldungen der Angehörigen sind bislang durchgängig positiv. Sie schätzen die Tagebücher vor allem in den derzeitig, Corona-bedingt, eingeschränkten Besuchsregelungen. Sie schreiben vor Ort ein oder schicken Briefe, die wir dann in die Tagebücher einkleben. Da bisher noch keine Fachinformationen oder Studien vorliegen, die das Instrument Intensivtagebuch im rehabilitativen Kontext betrachten, bleibt es für uns ein offener Prozess, in welchem wir weiter lernen, anpassen und vielleicht auch noch korrigieren werden. Eine Evaluation mit den Betroffenen und ihren Familien ist daher fest geplant, um die Handhabung und Wirksamkeit im rehabilitativen Kontext näher zu beleuchten.

Yvonne Reuß, Schön Klinik Bad Staffelstein: yreuss@schoen-klinik.de

Neue Familien-Website

Es gibt eine neue Website mit Informationen für Angehörige von Intensivstationen mit Informationen, Videos, Kurse, Angeboten für Kinder und vieles mehr. Die Website kann in die Websites anderer Häuser integriert werden: www.intensivstation.jetzt.

Es muss ein neues Gleichgewicht gefunden werden

Geense et al (2021) aus den Niederlanden führten eine qualitative Forschung mit 19 Überlebenden der Intensivtherapie durch, die ein Jahr nach der Aufnahme auf die Intensivstation in einem quantitativen Teil der Studie eine verminderte Lebensqualität hatten. Die Interviewten berichteten von schweren Problemen in körperlicher, geistiger und kognitiver Hinsicht: „Was ich an einem Tag gemacht habe, dauert jetzt mehr als eine Woche ". Sie fühlten sich im Alltag, in Hobbys und sozialen Aktivitäten behindert: „Wenn ich auf etwas reagieren will, ist das Gespräch schon noch eine Viertelstunde weiter". Es muss eine neue Balance gefunden werden: „Ich denke, es wird okay sein. Aber es ist nicht das, was ich von meinem Leben erwartet habe, und wie es war." Einige waren dankbar, dass sie am Leben waren und akzeptierten die Einschränkungen. Insgesamt ist die Rehabilitation eine Herausforderung, und PatientInnen und Familien brauchen eine nachhaltige Unterstützung.

Geense WW, de Graaf M, Vermeulen H, van der Hoeven J, Zegers M, van den Boogaard M. Reduced quality of life in ICU survivors - the story behind the numbers: A mixed methods study. J Crit Care. 2021 May 23; 65:36-41.

Wenn Betroffene Bücher schreiben

Egerod et al (2021) aus Dänemark analysierten fünf Bücher, die von dänischen IntensivpatientInnen geschrieben worden sind. Krankheitserzählungen können drei Ansätze haben (basierend auf Frank, 1995):

  1. Restitutionserzählung: Ich war gesund, ich wurde krank, ich werde wieder gesund.

  2. Wachstumserzählung: Ich war gesund, ich wurde krank, ich lernte aus meiner Krankheit.

  3. Chaos-Erzählung: Ich war gesund, ich wurde krank, das Leben wurde nicht besser.

Die AutorInnen führten eine strukturelle, thematische und eine vergleichende Analyse durch. Alle Bücher wurden von den Überlebenden geschrieben, aber einige hatten Hilfe und schlossen auch andere AutorInnen ein. Es gab fünf Hauptthemen: Leben/Tod, Vernunft/Wahnsinn, vor/nachher, Gewinn/Verlust und innere Stärke/externe Unterstützung. Die AutorInnen fanden individuelle Wendepunkte. Die Biografie setzte sich fort, indem das neue Selbst und das alte Selbst integriert wurden. Diese Ergebnisse können MitarbeiterInnen helfen, wichtige Erfahrungen zu verstehen und die PatientInnenversorgung und -unterstützung zu individualisieren.

Egerod I, Bøgeskov BO, Jensen JF, Dahlager L, Overgaard D. Narrative critical care: A literary analysis of first-person critical illness pathographies. J Crit Care. 2020 Oct; 59:194-200.

Psychologische Betreuung auf Basis positiver Suggestionen

Hypnotherapeutische Techniken wie positive Suggestionen haben sich bereits in der perioperativen- und Intensivmedizin als wirksam erwiesen, um Schmerzen und Angst zu lindern. Karnatovskaja et al (2021) aus den USA haben Doulas auf der Intensivstation eingesetzt, um PatientInnen gezielt mit positiven Vorschlägen zu unterstützen. Doulas sind ehrenamtliche HelferInnen in Krankenhäusern, die zum Beispiel zur Unterstützung von Frauen bei der Geburt eingesetzt werden. In der Pilotstudie wurden zwei „Doulas“ für die Intensivstation ausgebildet und betreuten insgesamt 43 PatientInnen. Die Pflegenden bewerteten die Unterstützung und bewerteten die folgenden Aspekte als positiv: Beruhigung für den PatientInnen, aber auch für das Pflegepersonal; positive Kommunikation mit PatientInnen; leicht verständliche Erklärungen für den PatientInnen; zusätzliche Unterstützung, wenn die Pflegenden keine Zeit haben. Pflegende erhielten auch neue Ideen für die Kommunikation mit PatientInnen. PatientInnen und Angehörige bewerteten auch die Interaktion mit den Doulas als positiv und angenehm. Die AutorInnen haben einen Lehrplan entwickelt, der eine wertvolle Grundlage für hypnotherapeutische Unterstützung in bestimmten Situationen auf Intensivstationen bietet.

Es bleiben jedoch einige grundlegende Fragen: Warum sollte emotionale Unterstützung an einen Freiwilligen ausgelagert werden, da es in der Verantwortung aller Berufe auf der Intensivstation liegt? Wer übernimmt diagnostische und therapeutische Aufgaben, die LaienhelferInnen nicht können, sondern die nur TherapeutInnen übernehmen können? Warum sollte nicht auch die psychische Gesundheit der PatientInnen (Verwandte, MitarbeiterInnen) Teil einer finanzierten Versorgung sein und somit von Fachleuten erbracht werden? Karnatovskajas Arbeit kann die Grundlage für eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit diesen Fragen bilden.

Karnatovskaia LV, Schultz JM, Niven AS, Steele AJ, Baker BA, Philbrick KL, Del Valle KT, Johnson KR, Gajic O, Varga K. System of Psychological Support Based on Positive Suggestions to the Critically Ill Using ICU Doulas. Crit Care Explor. 2021 Apr 26; 3(4): e0403.

Offene Intensivstationen für Familien

Mistraletti et al (2021) wies auf die Notwendigkeit von Familienbesuchen in einem überzeugenden Statement hin. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorteile von Besuchen die Risiken der Pandemie überwiegen. Die AutorInnen schlagen folgende grundlegende Aspekte vor:

  1. Familienmitglieder sollten auch dann zugelassen werden, wenn es nur für kurze Zeiträume ist.

  2. Für Covid- und Nicht-Covid-Intensivstation sollten unterschiedliche Regeln festgelegt werden.

  3. Wenn die Gesamtzahl der Familienbesuche begrenzt werden muss, ist es ratsam, Besuche für diejenigen zu fördern, die am meisten profitieren können.

  4. Es ist ratsam, eine spezielle Arbeitsgruppe auf der Intensivstation einzurichten und mindestens monatlich die strukturellen und organisatorischen Bedingungen neu zu evaluieren, die eine Einschränkung von Familienbesuchen rechtfertigen.

  5. Verwandte und andere BesucherInnen müssen über die Risiken im Zusammenhang mit dem Zugang zu Covid-Stationen informiert werden.

  6. Ein Wiedereröffnungsprozess sollte mit dem gesamten Team geteilt werden.

  7. Die physische Anwesenheit von Familienangehörigen sollte nicht auf Intensivstationen beschränkt sein.

Die AutorInnen erläutern Eröffnungsstrategien im Detail, die als Rahmen für das konzeptionelle „BesucherInnenmanagement" in Kliniken genutzt werden können. Angesichts unserer tatsächlichen Lage schlussfolgern sie:  „Wir glauben, dass es keine wesentlichen Gründe gibt, warum Familienmitglieder nicht in den CoViD Stationen erlaubt werden sollten: Es kann nicht nur nützlich sein, aber sogar notwendig. In der spezifischen Umgebung jedes Krankenhauses sollten alle Möglichkeiten ausgelotet werden, um sowohl auf Intensiv- als auch auf nicht-intensiven Stationen unverzüglich gute „humanisierende" Praktiken wiederherzustellen."

Mistraletti G, Giannini A, Gristina G, Malacarne P, Mazzon D, Cerutti E, Galazzi A, Giubbilo I, Vergano M, Zagrebelsky V, Riccioni L, Grasselli G, Scelsi S, Cecconi M, Petrini F. Why and how to open intensive care units to family visits during the pandemic. Crit Care. 2021 Jun 2; 25(1): 191.

Kommunikation mit Familien beeinflusst das Outcome von IntensivpatientInnen

Aufgrund der Covid-19-Pandemie haben die meisten Intensivstationen Beschränkungen für BesucherInnen eingeführt, so dass IntensivpatientInnen ohne ihre Angehörigen allein bleiben. Pun et al (2021) untersuchte die Delirrate bei 69 Intensivstationen und 2.088 PatientInnen und stellten fest, dass das Vorhandensein von mechanischer Beatmung, Fixierungen, Benzodiazepinen, Opioide, Katecholamine und Antipsychotika mit einem deutlich höheren Delirrisiko verbunden war, während der Besuch von Familienmitgliedern (persönlich oder virtuell) mit einem deutlich geringeren Delirrisiko verbunden war. Die Anwesenheit von Familien scheint einen Einfluss auf das Outcome der PatientInnen zu haben. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass es diesen PatientInnen gestattet werden sollte, mit den Familien zu kommunizieren.

Pun BT, Badenes R, Heras La Calle G, Prevalence and risk factors for delirium in critically ill patients with COVID-19 (COVID-D): a multicentre cohort study. Lancet Respir Med. 2021 Jan 8:S2213-2600(20)30552-X.

Internetbasierte Therapien für PTBS

Die traumaspezifische Behandlung ist wirksam bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen. Neue Ansätze wie die internetbasierte Therapie können die klassische Face-to-Face-Therapie ergänzen. Simon und Kollegen (2021) untersuchten in einer Cochrane-Metaanalyse die Wirksamkeit der internetbasierten Traumatherapie. 13 Studien mit 808 PatientInnen wurden in die Analyse einbezogen. Insgesamt gibt es derzeit nur wenige Hinweise auf eine Verringerung der PTSD-Symptome durch eine internetbasierte Traumatherapie im Vergleich zu Wartelistenkontrollgruppen. Die internetbasierte Traumatherapie ist mit einer klinisch relevanten Reduktion der Symptome von Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischem Stress verbunden. Eine Studie zeigt, dass eine Face-to-Face-Therapie effektiver ist als eine internetbasierte Therapie bei der Reduzierung posttraumatischer Stresssymptome. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass weitere Studien erforderlich sind, um die internetbasierte Traumatherapie zu bewerten.

Simon N, Robertson L, Lewis C, Roberts NP, Bethell A, Dawson S, Bisson JI. Internet-based cognitive and behavioural therapies for post-traumatic stress disorder (PTSD) in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2021 May 20; 5(5): CD011710.

Verfasst von:

Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

Dr. Peter Nydahl, RN BScN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

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