Sterbebegleitung bei IsolationspatientInnen
Studien zum Tagebuch
Tagebücher in der Rehabilitation
Es ist schwierig, die Entwicklung der kritischen Krankheit zu verstehen. Eklind et al. (2022) aus Schweden führten zwei Fokusgruppeninterviews mit ehemaligen PatientInnen durch, um die Bedeutung eines Tagebuchs für PatientInnen zu verstehen und wie es sich auf die Genesung auswirken könnte. Eingeschlossen waren PatientInnen, die ≥72h beatmet wurden und ein Tagebuch hatten. Nach den Ergebnissen können Intensivtagebücher neben den Krankenakten und anderen Informationen als „wichtige Ergänzung" zum Verständnis einer kritischen Erkrankung angesehen werden. Das Lesen des Tagebuchs löste intensive Gefühle wie Schuld oder Angst, aber auch Dankbarkeit aus („Für mich geht es um Schuldgefühle für meine Familie. Dass sie erlebt haben, was ich im Tagebuch lese.", „Wie die Rasur... - Oh es funktioniert, ich habe mir keinen Bart wachsen lassen! Es war ein kleines Detail, aber so wichtig. Dass man sich um mich gekümmert hat"). Die AutorInnen stellten fest, dass das Tagebuch allein nicht ausreichte, um die ganze Geschichte zu verstehen, auch Notizen aus der Familie oder Krankenakten waren wichtig, um das Bild zu vervollständigen. Die AutorInnen schlussfolgern, dass das Tagebuch kein eigenständiges Werkzeug ist, sondern ein Teil, das wichtig für die Genesung ist und es sollte zusammen mit den MitarbeiterInnen gelesen und besprochen werden.
Tagebücher als Teil der humanistischen Sterbebegleitung bei IsolationspatientInnen
Während der Covid-19-Pandemie starben viele PatientInnen in sozialer Isolation, getrennt von ihren Angehörigen und begleitet von Personen in Schutzausrüstung. Nishimura et al (2022) befragten MitarbeiterInnen aus mehreren Krankenhäusern in Japan und fragten, wie sie die Betreuung am Lebensende für sterbende PatientInnen und ihrer Familien während der Pandemie gestalteten. In ihren Ergebnissen konnten Interviews mit 33 ÄrztInnen und Pflegekräften aus 23 Krankenhäusern ausgewertet werden. Es gab 51 verschiedene Strategien wie Gespräche, häufige Kommunikationstreffen per Telefon oder Video, virtuelle Treffen mit Familien, Abspielen aufgezeichneter Nachrichten von der Familie, die Weitergabe der letzten Worte der PatientInnen vor der Intubation, Übergabe von Geschenken und Nachrichten an die PatientInnen und natürlich das Schreiben von Intensivtagebüchern. Die AutorInnen identifizierten vier Hauptthemen:
Aufrechterhaltung der Beziehungen zu isolierten PatientInnen, einschließlich der Bekämpfung der Einsamkeit der PatientInnen, Gespräche mit nicht reagierenden PatientInnen und Vermeidung des Sterbens;
Verbindung von PatientInnen und Familien, einschließlich Nachrichten zwischen PatientInnen und Familien, indirekt oder direkt, Kombination mehrerer Kommunikationsinstrumente;
geteilte Entscheidungsfindung in Isolation, einschließlich des Verständnisses der Not von Familien, der Unterstützung von Familien, der Verständlichkeit der Situation, der Erforschung verborgener Präferenzen und der Vermittlung mitfühlender Fürsorge;
Schaffung humanistischer Episoden, einschließlich der Förderung der Einbeziehung der Familie, die Anteilnahme von PatientInnen am Lebensende und der Unterstützung von Familien, die verstorbenen PatientInnen zu sehen.
Trotz der sehr herausfordernden Situation waren die MitarbeiterInnen sehr kreativ bei der Durchführung humanistischer Pflege unter Isolationsbedingungen.
Nishimura M, Toyama M, Mori H, Sano M, Imura H, Kuriyama A, Nakayama T. Providing End-of-Life Care for Dying COVID-19 Patients and their Families in Isolated Death during the Pandemic in Japan: The PRECA-C Project. Chest. 2022 Oct 15: S0012-3692 (22) 03998-8.
Ein Tagebuch für Dich schreiben
Das Verfassen eines Intensivtagebuchs kann von vielen Entscheidungen abhängen, über den Inhalt, den Schreibstil, die Wortwahl und andere. Maagaard et al. aus Dänemark befragten neun Pflegende von verschiedenen Intensivstationen über ihre Entscheidungen beim Schreiben eines Tagebuchs. In ihren Ergebnissen identifizierten die AutorInnen drei Hauptstrategien: a) Die Erfahrung der Intensivtherapie für PatientInnen verständlicher zu machen, z. B. durch Verharmlosungen („ein wenig", „ein bisschen"), Euphemisierung („nicht so angenehm"), Normalisierung („es ist nicht ungewöhnlich, dass Sie ...") oder Positivität („eine gute Genesung"); b) Wahrnehmung der PatientInnen durch beobachtete Reaktionen („Sie registrieren, wenn ich in der Nähe bin (...) Sie runzeln Ihre Augenbrauen"); c) die Herstellung einer Beziehung durch das Pronomen „Du" („Du saßt in einem Sessel ...") und PatientInnen werden aktiv in die Erzählung eingebunden. Pflegende reflektieren die Verwendung von „Du" (im Dänischen), weil das Tagebuch an und für einzelne PatientInnen geschrieben wird. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass das Schreiben einer Geschichte auch eine Art Macht ist, eine Geschichte zu kontrollieren, indem entschieden wird, was wichtig ist und was nicht, und dies kann zu Unsicherheiten führen. Aber ein Tagebuch zu schreiben ist auch eine Möglichkeit, Empathie auszudrücken, eine Geschichte aus der Sicht einer anderen Person mitzuteilen.
Maagaard Cam Laerkner E. Writing a Diary for “You” - Intensive care nurses' narrative practices in diaries for patients: A qualitative study. International Journal of Nursing Studies 136 (2022) 104363.
Meta-Analyse über den Einfluss von Intensivtagebüchern auf PTBS, Angst und Depression
Gazzato et al (2022) führten eine systematische Literaturrecherche in 5 Datenbanken (Pubmed, Embase, Central, Cinahl und PsychInfo) nach RCTs durch, in der Intensivtagebücher mit der üblichen Versorgung verglichen wurden. Im Ergebnis konnten 7 RCTs aufgenommen werden (Knowles 2009, Jones 2010, Garrouste-Orgeas 2019, Kredentser 2018, Nielsen 2020, Sayde 2020, Wang 2020). Alle Studien hatten ein geringes Risiko für Bias, mit Ausnahme der fehlenden Verblindung. In 6 Studien mit 854 PatientInnen reduzierte die Bereitstellung eines Intensivtagebuchs im Vergleich zur üblichen Versorgung das Risikoverhältnis für die Entwicklung einer PTBS um 27% (95%KI 0,57-0,94, p=0,02). Tagebücher zur Reduktion von Depressionen und Angstzuständen unterschieden sich nicht signifikant von der üblichen Versorgung (Depression war ein Trend 0,70 (95%KI 0,49-1,01, p = 0,06). Die AutorInnen schlussfolgern, dass Intensivtagebücher die PTBS-Rate bei IntensivpatientInnen reduzieren können; zukünftige Studien sollten sich auf Folgeerkrankungen kritischer Erkrankungen und Lebensqualität konzentrieren.
Gazzato A, The Effect of Intensive Care Unit Diaries on Posttraumatic Stress Disorder, Anxiety, and Depression. Dimens Crit Care Nurs. 2022 Sep-Oct ;41 (5): 256-263.
Tagebücher und Pflege
In dieser Übersichtsarbeit werden Tagebücher vorgestellt. Der Beitrag beinhaltet den Hintergrund, einen Überblick über die Studienlage und die Ergebnisse aktueller Meta-Analysen und Meta-Synthesen. Tagebücher haben bei PatientInnen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung eines PTBS, die Effekte auf Angst und Depression zeigen einen Trend; bei Angehörigen konnte diese Effekte nicht nachgewiesen werden. In Meta-Synthesen (die Zusammenfassung qualitativer Arbeiten) konnten positive Erfahrungen mit dem Tagebuch wie ein besseres Verstehen des Erlebten, Verstehen des Genesungsprozesses, Kohärenz von Alpträumen, Bedeutung der Anwesenheit von Familie sowie eine Humanisierung von Gesundheitsfachkräften belegt werden. Die Intensivtagebücher werden von den meisten Pflegefachpersonen als unterstützend für die PatientInnen und deren Angehörigen eingeordnet. Auch die Vorteile im Hinblick auf die Kommunikation mit und durch Tagebücher werden beschrieben. Pflegende in der Praxis erleben das Schreiben eines Tagebuchs heterogen, viele beschreiben es als eine Verbesserung der Pflegequalität mit Vorteilen für PatientInnen und Angehörige, einige erleben das Schreiben als herausfordernd. Insgesamt ist das Interesse an dem Thema groß, gepaart mit der Einstellung, dass das Schreiben eines Intensivtagebuchs für niemanden ein „Muss“ sein sollte, sondern ein einladendes Angebot an alle ist.
Krotsetis, S., Deffner, TM. & Nydahl, P. Das Intensivtagebuch – ein kommunikativer Brückenschlag. Med Klin Intensivmed Notfmed (2022).
Zeitpunkt für das Aushändigen des Tagebuches
Intensivtagebücher werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten an den PatientInnen übergeben, wobei aktuell nicht klar ist, wie sich der Zeitpunkt der Übergabe auf das psychische Befinden auswirkt. Tripathy und Kollegen aus Indien untersuchten in einer RCT diese Fragestellung. Insgesamt 90 PatientInnen, für die ein Tagebuch geschrieben wurde, wurden in zwei Gruppen randomisiert, von denen die eine das Tagebuch nach einem Monat und die andere das Tagebuch nach drei Monaten erhielt. Das psychische Befinden und die Erinnerung der PatientInnen wurde vor dem Aushändigen des Tagebuches, nach einem Monat, nach drei Monaten und nach 3,5 Monaten erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass ehemalige PatientInnen, die das Tagebuch erhielten, ein besseres psychisches Befinden (Angst, Depressivität, PTBS-Symptome) hatten als PatientInnen, denen das Tagebuch (noch) nicht ausgehändigt wurde. Das psychische Befinden besserte sich nach Aushändigen des Tagebuches (prä-post-Messung), allerdings nur in der Gruppe, die das Tagebuch nach 3 Monaten erhielt. Auch die Erinnerungen bezüglich der Intensivstation verbesserten sich in der Gruppe, die das Tagebuch nach 3 Monaten erhielt. Insgesamt eine sehr schöne Studie, die neben dem Befinden vor und nach Aushändigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch die Erinnerungen an die Intensivstation mit erfasst. Allerdings war die Erhebung teilweise mit einem persönlichen Besuch des/der Psychologen/in der Intensivstation verbunden, was möglicherweise Einfluss auf das psychische Befinden der ehemaligen PatientInnen gehabt haben kann.
Tripathy S, Acharya SP, Sahoo AK, Hansda U, Mitra JK, Goel K, Ahmad SR, Kar N. Timing of Exposure to ICU Diaries and Its Impact on Mental Health, Memories, and Quality of Life: A Double-Blind Randomized Control Trial. Crit Care Explor. 2022 Jul 29; 4(8): e0742.
Pädiatrische Tagebücher
Die Eltern frühgeborener Kinder stehen vor besonderen Herausforderungen. Taittonen et al. (2022) aus Finnland haben ein neues Tagebuch für die Eltern von Frühgeborenen entwickelt. Das Tagebuch wird von den Eltern geführt und diese sollen in das Tagebuch schreiben, wie lange sie am Tag und in der Nacht da waren, wie oft sie Kangaroo Care oder Stillen umgesetzt haben. Die Eltern konnten auch eintragen, wie sie sich gefühlt haben, wie müde sie waren oder was sie am Kind beobachten konnten. In der Evaluation fanden die meisten Eltern das Tagebuch sehr gut und bewerteten es als hilfreich, auch als Unterstützung für die Entscheidungsfindung bei Therapiefragen. Einige wenige gaben die Fragen zum Teil als missverständlich an. Pflegende und MedizinerInnen bewerteten das Tagebuch auch als sehr hilfreich. Einige MedizinerInnen gaben Bedenken wegen des zusätzlichen Zeitaufwands an. Die AutorInnen schlussfolgern, dass dieses sehr strukturierte Tagebuch eine Hilfe für Eltern und das Team sein. Die Fragen sollten eindeutiger formuliert werden und eine Implementierung in das EDV-System der Klinik kann geplant werden.
Taittonen L, Pärus M, Lahtinen M, Ahola J, Bartocci M. Usefulness of the Parental Electronic Diary During Medical Rounds in a NICU. J Perinat Neonatal Nurs. 2022 Jul-Sep 01; 36(3): E7-E12.
Bericht eines ehemaligen Patienten
David Richards hatte schweres ARDS und ECMO-Therapie. Er hatte ein Tagebuch auf der Intensivstation und es half ihm zu verstehen, was passiert war. „Ich hatte das Glück, 2009-2010 ein Intensivtagebuch zu haben und es hat meine psychische Genesung sehr unterstützt, tut es bis heute. Ich habe einen zusammenfassenden Bericht geschrieben, in dem erklärt wird, wie es mir geholfen hat, Auszüge aus dem Tagebuch zu verwenden, und es wird auf der Website der ARDS Foundation gehostet."
Klickt hier, wenn Ihr daran interessiert seid, es (auf Englisch) zu lesen.
Intensivtagebücher führen zu mehr Transparenz
Hamann hat in einem integrativen Review 8 Studien zu Tagebüchern im Hinblick auf den Nutzen für PatientInnen und Angehörige analysiert. Tagebücher verbessern die Lebensqualität und Coping bei Angehörigen und IntensivpatientInnen und führen zu mehr Transparenz.
Syst. Übersichtsarbeit von Hamann (2022)
Gesammelte Hör- und Fernsehbeiträge von WDR 5, Deutschlandfunk Kultur und Frau tv
Fernsehbeitrag für Frau tv
Fernsehreportagen haben einen besonderen Wert, weil sie die Öffentlichkeit informieren und eine sehr große Reichweite haben. In der aktuellen Reportage „Intensivtagebuch: Schreiben und verarbeiten in der Klinik“ von Carolina Machhaus-Stehle berichtet Kristin Gabriel, wie ihr das Tagebuch auf der Intensivstation und bei der Trauerverarbeitung geholfen hat – außerdem sind auch Teresa und Peter kurz zu sehen!
In der Mediathek der ARD ist der knapp 7-minütige Beitrag zu sehen.
Radiofeature bei WDR 5 – und Deutschlandfunk Kultur
In dem Radio-Feature „Intensivtagebuch: Zurück ins Leben finden“ von Laura-Mareen Janssen berichtet unter Anderem Jannik Kuzma, ehemaliger Intensivpatient über seine Erfahrungen mit dem Tagebuch. Unser Team von Intensivtagebuch.de ist auch hier wieder mit dabei und gibt Einblicke in die Arbeit und Erfahrungen damit.
Der halbstündige Beitrag ist auf der Seite des WDR 5 abrufbar.
Eine Kurzversion des Radiobeitrags findet ihr auf Deutschlandfunk Kultur.
Neue Tagebuchvorlage
Am UKSH haben wir eine neue Vorlage für Tagebücher entwickelt. Das Tagebuch richtet sich vor allem an Angehörige als HauptautorInnen des Tagebuchs, Pflegende und andere sind eingeladen, Beiträge zu schreiben. Um Angehörigen eine konkrete Vorstellung von dem Tagebuch zu geben, haben wir auch ein Beispiel-Tagebuch mit praxisnahen Einträgen durch Familienangehörige und Pflegende entwickelt.
Die UKSH Website komplettiert mit Hinweisen zum Schreiben und Lesen des Tagebuchs.
Angrenzende Studien
Tätigkeitsprofil für PsychologInnen auf Intensivstationen
Die britischen Kollegen von PINC-UK, dem Netzwerk der PsychologInnen auf Intensivstationen, haben ein hervorragendes Tätigkeitsprofil für die psychologische Arbeit auf Intensivstationen zusammengestellt. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten – Unterstützung von PatientInnen, Angehörigen und Personal – werden auch Empfehlungen zum Stellenschlüssel (bezogen auf das britische Versorgungssystem) und ebenso Vorschläge für Outcome-Messungen gegeben. Sehr empfehlenswert für alle, die eine solche Stelle bei sich etablieren wollen!
Prävalenz und Risikofaktoren für PICS nach COVID-19-Behandlung auf der Intensivstation
In einer multizentrischen Beobachtungsstudie haben Hatakeyama und KollegInnen insgesamt 250 ehemals kritisch kranke COVID-19-PatientInnen zu zwei Befragungszeitpunkten (5,5 und 13.5 Monate nach ITS-Behandlung) hinsichtlich einer PICS-Symptomatik mit dem Barthel-Index, einem Gedächtnisfragebogen, der HADS (Angst und Depressivität) sowie dem EQ-5D (Lebensqualität) untersucht. Zu den Messzeitpunkten wiesen 58,6% bzw. 60.8% eine PICS-Symptomatik mit Schwerpunkt auf bestehende kognitive Symptome (Gedächtnisstörungen) auf. Als unabhängige Risikofaktoren für diese Symptomatik wurden das Vorliegen eines Delirs und die Länge der Beatmungsdauer identifiziert. Zu bedenken ist allerdings, dass kognitive Symptome sehr selektiv erhoben und keine PTBS-Symptomatik erfasst wurde, daher ist die Erfassung von PICS-Symptomen unvollständig.
Hatakeyama J et al. Prevalence and Risk Factor Analysis of Post-Intensive Care Syndrome in Patients with COVID-19 Requiring Mechanical Ventilation: A Multicenter Prospective Observational Study. J Clin Med. 2022 Sep 28; 11(19): 5758. doi: 10.3390/jcm11195758.
Psychische Belastung bei virtuellen PatientInnenbesuchen während der Pandemie
Während der Pandemie kamen auf der ganzen Welt aufgrund umfassender Besuchsverbote Videotelefonate als virtuelle PatientInnenbesuche zum Einsatz. In einer großen Beobachtungsstudie aus Großbritannien wurde die psychische Belastung von Angehörigen vor und nach den Videotelefonaten erhoben. Es nahmen über 2000 Angehörige aus 37 Krankenhäusern teil. Die Belastung wurde mit dem Distress-Thermometer (einer visuellen Analogskala) sowie der Depression, Anxiety und Stress-Scale (DASS-21) erhoben. Vor dem ersten Videotelefonat empfanden 62% eine starke Belastung, 26% moderate Belastung und 11% der Angehörigen eine geringe Belastung. Nach dem Videotelefonat reduzierte sich diese durchschnittlich 1.6 Punkte auf dem Distress-Thermometer. Bei Angehörigen, die häufiger Videotelefonate durchführten und eine starke psychische Belastung empfanden, reduzierte sich diese über den Verlauf der Videotelefonate. Die Angehörigen gaben auch an welche Gefühle sie nach den Videotelefonaten empfanden. Die häufigsten Gefühle waren Beruhigung, Trauer, Freude und Entspannung. Die Beobachtungsstudie zeigt damit eindrücklich, dass intensive Belastung bei Angehörigen von kritisch kranken PatientInnen und bestehenden Besuchsverboten häufig ist und dass Videotelefonate helfen diese Belastung temporär zu reduzieren und damit das Empfinden positiver Gefühle unterstützt wird.
Rose L et al. Psychological distress and morbidity of family members experiencing virtual visiting in intensive care during COVID-19: an observational cohort study. Intensive Care Med. 2022 Sep;48(9):1156-1164. doi: 10.1007/s00134-022-06824-9.
Verfasst von:
Dr. Peter Nydahl, RN BScN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel
Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
Kristin Gabriel, Dipl. Medienwirtin, BA Kunsthistorikerin, Yogalehrerin, Berlin