Zufriedenheit
Tagebuchstudien
Zufriedenheit der PatientInnen mit den Tagebüchern auf der Intensivstation
PatientInnen selbst zu fragen, ist oft der beste Weg, um ein Feedback zu erhalten und die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Tavares et al. (2020) aus Portugal führten eine Fragebogenstudie bei 110 IntensivpatientInnen durch, die 3 Tage lang sediert wurden und während ihres Aufenthalts ein Tagebuch auf der Intensivstation erhielten. PatientInnen, die mit 5 Aussagen einverstanden waren (das Tagebuch war eine Hilfe bei der Klärung des Aufenthalts, es füllte Gedächtnislücken, es unterstützte die Genesung und die Selbstsicherheit und wurde allgemein empfohlen), wurden als „mit dem Tagebuch zufrieden“ eingestuft. N=55 PatientInnen (50%) beantworteten den Fragebogen und von diesen waren n=36 (65%) mit dem Tagebuch zufrieden. Zur Verbesserung der Tagebücher hat die Mehrheit (n=34, 60%) vorgeschlagen, mehr Fotos im Tagebuch zu verwenden. Die meisten PatientInnen bewerteten den Umfang der Informationen als verständlich, ausreichend und den Zeitpunkt der Übergabe des Tagebuchs je nach Bedarf als sinnvoll. Es gab keine Unterschiede bei PatientInnen mit kürzerer vs. längerer Sedierung, Beatmung oder Dauer der Tagebuchführung. Die AutorInnen kamen zu dem Schluss, dass 2 von 3 PatientInnen mit ihren Tagebüchern rundum zufrieden sind. Tagebücher sollten für alle PatientInnen verwendet werden, die für 3 oder mehr Tage sediert werden.
Tavares T, Camões J, Carvalho DR, Jacinto R, Vales CM, Gomes E. Assessment of patient satisfaction and preferences with an intensive care diary. Rev Bras Ter Intensiva. 2019 May 23; 31(2): 164-170.
Angrenzende Studien
Neuromuskuläre Komplikationen können bis zu 5 Jahre nach der Intensivstation andauern
Viele PatientInnen auf der Intensivstation erwerben neuromuskuläre Schwächen und andere Komplikationen, die sich nachhaltig auf die PatientInnen und ihre Angehörigen auswirken können. Van Aerde et al. (2020) aus Belgien führten eine Teilanalyse der 883 PatientInnen durch, die an der EPaNIC-Studie teilnahmen (frühe vs. späte Ernährung auf der Intensivstation). Neuromuskuläre Komplikation wurden bei der Entlassung mit der Medical Research Council (MRC) Summenscore untersucht; fünf Jahre später wurden die PatientInnen auf körperliche Funktion und Lebensqualität untersucht. In den Ergebnissen prognostizierte ein niedrigerer MRC-Score von <55 zum Zeitpunkt der Entlassung eine schlechte langfristige Morbidität und Mortalität, auch nach 5 Jahren. Interessanterweise zeigten PatientInnen, die nur abnorme Muskelaktionspotenziale hatten, eine höhere Sterblichkeit, aber keine beeinträchtigte Kraft oder körperliche Funktion; PatientInnen mit eingeschränkter Kraft bei der Entlassung hatten eine schlechtere Morbidität und Mortalität. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass diese Daten dazu beitragen können, die Nachsorgedienste zu verbessern.
Van Aerde N, Meersseman P, Debaveye Y, Wilmer A, Gunst J, Casaer MP, Bruyninckx F, Wouters PJ, Gosselink R, Van den Berghe G, Hermans G. Five-year impact of ICU-acquired neuromuscular complications: a prospective, observational study. Intensive Care Med. 2020 Jan 22.
Risiko einer Rehospitalisierung
Kritisch kranke PatientInnen haben viele gesundheitliche Probleme, die zu einer Wiederaufnahme oder ungeplanten Krankenhauseinweisung führen können, manchmal ein paar Tage oder Wochen nach dem Verlassen des Krankenhauses. Shankar-Hari (et al. 2020) führte eine systematische Literaturrecherche und Metaanalyse durch, um die Rate, Diagnose und Prädiktoren der Rehospitalisierung von erwachsenen Überlebenden einer Sepsis zu bewerten. Im Ergebnis konnten 56 Studien mit mittlerer Qualität eingeschlossen werden. Die 30-Tage-Rehospitalisierungsrate in 36 Studien mit 6.729.617 PatientInnen lag bei durchschnittlich 21% (95%CI: 18-25%), mit großen Unterschieden zwischen PatientInnen, die bis zu Tag 7 (9%) bis Tag 365 (39%) untersucht worden sind. Fast jede/r zweite Sepsis-Überlebende/r hat im ersten Jahr nach einer kritischen Erkrankung eine ungeplante Krankenhauseinweisung. Der häufigste Grund für eine Rehospitalisierung war die Infektion. Signifikante Risikofaktoren waren das Alter, männliches Geschlecht, Komorbiditäten, nicht-elektive Einweisungen, Krankenhausaufenthalte vor Sepsis und sepsisspezifische Faktoren wie Infektion und Schwere der Erkrankung. Sepsis-Überlebende und ihre Familien benötigen spezifische Informationen und Dienstleistungen, um ihre Rehabilitation zu verbessern und das Risiko eines erneuten Auftretens von Gesundheitsproblemen zu verringern.
Shankar-Hari M, Saha R, Wilson J, Prescott HC, Harrison D, Rowan K, Rubenfeld GD, Adhikari NKJ. Rate and risk factors for rehospitalisation in sepsis survivors: systematic review and meta-analysis. Intensive Care Med. 2020 Jan 23.
Neues Buch über Post Intensive Care Syndrome
Preiser, Herridge und Azoulay (2020) veröffentlichten ein englischsprachiges Buch über das Post-Intensiv-Syndrom. Die Herausgeber arbeiteten mit der Lehrbuchreihe der European Society of Intensive Care Medicine zusammen. Das Buch enthält 26 Kapitel auf 377 Seiten, darunter Themen wie körperliche Beeinträchtigungen, kognitive und psychische Beeinträchtigungen und Rehabilitation. Gut gemacht!
Preiser JC, Herridge M, Azoulay E (2020). Post-Intensive Care Syndrome. Springer: Berlin.
Einbindung der Familie in die Pflege – Einfluss auf PTSD
In einer prospektiven Prä-Post-Interventionsstudie wurde Familien eine Informationsbroschüre zum Thema Einbezug in die Pflege des Patienten/der Patientin ausgehändigt. Die Broschüre umfasste Anregungen, wie Familienangehörige PatientInnen unterstützen können. PatientInnen wurden in die Studie eingeschlossen, wenn ihre erwartete Mortalität größer als 30% war. Als Outcomes wurden posttraumatische Belastungssymptome, Angst und Depressivität sowie Zufriedenheit der Angehörigen 90 Tage nach Entlassung/Versterben des Patienten/der Patientin erfasst. In der Interventionsphase wurde ein signifikanter Rückgang von Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt. Die anderen Symptombereiche waren nicht verändert. Die Anregungen der Broschüre führten aber zu einer signifikanten Zunahme von Tätigkeiten der Angehörigen für ihre/n erkrankte/n Angehörige/n (z.B. Musik mitbringen, persönliche Gegenstände mitbringen, Vorlesen religiöser Texte).
Amass TH, Villa G, OMahony S, Badger JM, McFadden R, Walsh T, Caine T, McGuirl D, Palmisciano A, Yeow ME, De Gaudio R, Curtis JR, Levy MM. Family Care Rituals in the ICU to Reduce Symptoms of Post-Traumatic Stress Disorder in Family Members-A Multicenter, Multinational, Before-and-After Intervention Trial. Crit Care Med. 2020 Feb;48(2):176-184
Diskomfort bei Extubation bzw. terminalem Weaning
Post-hoc-Analyse einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie, in der die sofortige Extubation mit dem terminalen Weaning bei IntensivpatientInnen verglichen wurde. Untersucht wurden der Diskomfort der PatientInnen bis zum Zeitpunkt des Versterbens und das Auftreten psychischer Störungen der Angehörigen 12 Monate nach Versterben. Von den 450 PatientInnen, die in der ursprünglichen Studie berücksichtigt wurden, hatten 226 (50%) der PatientInnen Symptome wie Luftnot, Obstruktionen sowie Schmerzsymptome. PatientInnen mit Beschwerden erhielten niedrigere Dosen von Midazolam und gleichwertigem Morphin und hatten weniger wahrscheinlich eine tiefe Sedierung als PatientInnen ohne Beschwerden. Nach multivariater logistischer Regression war die Extubation (im Vergleich zum terminalen Weaning) der einzige Faktor, der mit Beschwerden verbunden war. Psychische Folgeerkrankungen der Angehörigen hingen nicht mit dem Auftreten der Symptome des Patienten/der Patientin zusammen. Die AutorInnen schließen, dass Diskomfort im Kontext von End-of-Life-Situationen häufig auftritt.
Robert R, Le Gouge A, Kentish-Barnes N, Adda M, Audibert J, Barbier F, Bourcier S, Bourenne J, Boyer A, Devaquet J, Grillet G, Guisset O, Hyacinthe AC, Jourdain M, Lerolle N, Lesieur O, Mercier E, Messika J, Renault A, Vinatier I, Azoulay E, Thille AW, Reignier J; group SEDARREVE. Sedation practice and discomfort during withdrawal of mechanical ventilation in critically ill patients at end-of-life: a post-hoc analysis of a multicenter study. Intensive Care Med. 2020 Jan 29. doi: 10.1007/s00134-020-05930-w.
Palliativmedizin meets Intensivmedizin
Eine sehr lesenswerte Übersicht mit Empfehlungen für die klinische Praxis bietet dieser CME-Beitrag. Vorgestellt werden Möglichkeiten den PatientInnenwillen vorab zu formulieren (Advance Care Planning), diesen während der intensivmedizinischen Behandlung zu eruieren und die Prognose des Patienten/der Patientin einzuschätzen, um realistische Therapieziele zu definieren. Ausführlich wird die Entscheidungsfindung im Kontext der Therapiezieldefinition thematisiert. Möglichkeiten der integrierten und konsiliarischen palliativmedizinischen Mitbetreuung sowie damit in Zusammenhang stehende Implementierungshürden werden vorgestellt.
Ferner M, Nauck F, Laufenberg-Feldmann R. Palliativmedizin meets Intensivmedizin. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2020 Jan; 55(1): 41-53. doi: 10.1055/a-0862-4790. Epub 2020 Jan 22.
Verfasst von:
Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
Dr. Peter Nydahl, RN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel